Wenn man früh aufwacht, voller Freude auf eine heiße Dusche die Sachen zusammensucht, zu den Duschen geht, zehn Minuten das heiße Wasser über den Rücken laufen lässt und dann merkt, dass man das Handtuch im Auto vergessen hat … fängt der Tag doch schon gut an. 😉
Weil es aber nicht das erste Mal ist, dass mir das passiert, habe ich schon eine Plan B – Strategie entwickelt und trockne mich dann einfach mit meinem Schlaf-Tshirt ab. Das funktioniert und aufgehängt auf meiner „In-Car“- Wäscheleine und das Schiebedach bei voller Fahrt aufgemacht, trocknet es meist über den Tag. Irgendwie bin ich heute erst spät in den Tag gestartet. Um zehn wachte ich auf und erst um zwölf habe ich Menina gestartet. Ziel: Coromandel Peninsula. Eigentlich wollte ich noch auf einen Hügel bei Tautanga steigen (der „Mount“ Maunganui hat nur 232m und fällt für mich daher in die Kategorie „Hügel“), aber es war bewölkt, ich hatte wirklich genug „Lookouts“ gesehen und es war schon recht spät also fuhr ich daran vorbei.
Die Fahrt nach Coromandel war schön, sonnig und die Straßen eine Freude für alle, die Kurven mögen. Wie eine Achterbahn schlängelt sich die enge Straße bergauf und bergab die Küste entlang, durch grüne hügelige Täler, Palmenwälder und vorbei an goldenen Sandstränden. Ab und zu hielt ich an, genoß die Aussicht, trank einen Kaffee in einer Strandbar oder setzte mich eine Weile an den Strand.
Auf dem Weg von Tauranga nach Coromandel liegt das Cathedral Cave. Es war spät als ich dort ankam, schon 17 Uhr und ich beeilte mich, um wenigstens den letzten Rest des Sonnenuntergangs zu sehen. Hier in Neuseeland wird es jetzt schon um 18 Uhr dunkel, was das Leben im Auto deutlich erschwert. Meistens muss ich im Dunkeln kochen und dafür brauche ich ein aufgeräumtes und gut organisiertes Auto. Sobald ein Messer nicht an seinem Platz ist, fange ich an, mit der Taschenlampe zu suchen. Um sieben bin ich fertig mit Kochen und Essen und dann krieche ich in mein kleines Schlaf-Wohnzimmer, mache es mir mit Kerze, Tee und Schokolade gemütlich, schreibe Blog, sortiere Fotos und schneide Videos zusammen.
Das Cathedral Cave sah ich im Sonnenuntergang. Dunkelrot reflektierte das Wasser die letzten Sonnenstrahlen und ein Austernfischer (das ist ein Vogel) fischte einsam in den leise rauschenden Wellen. Ich war alleine am Strand und genoss diesen friedlichen Moment bis die Sonne fast untergegangen war.
Ich lief zurück zum Auto und beschloss, die Nacht auf dem Parkplatz an den Cave zu verbringen. Ich hatte keine Lust mehr, weiter zu fahren und außerdem war ich hungrig. Menina war nicht die Einzige auf dem Parkplatz. Gut zehn andere Wohnmobile, Campervans und Autos hatten ihr Nachtlager hier aufgeschlagen und überall wurde gekocht, Musik gehört und gelacht. Ich briet mir Bratkartoffeln und Ei und aß eine der vielen Golden Kiwis, die ich noch aus Takaka hatte. Die meisten in meinem Hangdog-Camp-Zuhause haben auf Kiwi-Farmen gearbeitet, um sich die Miete für das Camp zu verdienen und so hatten wir immer Unmengen an Kiwis im Hangdog. Natürlich habe ich mir eine ganze Ladung für die Reise mitgenommen. 😉
Am nächsten Morgen war ich schon zum Sonnenaufgang wach, machte Kaffee und Nutella-Brot, setzte mich gemütlich in meinen Kofferraum und genoss den Ausblick auf das Meer. Ich beschloss, noch einmal zum Cathedral Cove hinunter zu wandern und es im Morgenlicht zu fotografieren. Auf dem Weg dorthin machte ich einen Abstecher zum Stingray-Beach, der so früh am Morgen noch einsam und unberührt war. Ich suchte mir einen Felsen, legte mich in die Morgensonne und hörte dem Rauschen der Wellen zu. Bestimmt eine halbe Stunde lag ich dort und genoss die Ruhe.
Dann machte ich mich auf dem Weg zum Cathedral Cove. Ich musste über einige Felsen balancieren, um von meinem Felsen zurück an den Strand zu kommen und dabei verlor ich kurz das Gleichgewicht und fiel. Mein einziger Gedanke war die Kamera, die ich retten wollte und ich weiß nicht genau, wie ich gefallen bin aber am Ende waren meine Hände blutüberströmt.
Mehr ist zum Glück nicht passiert. Blutige Hände war ich ja noch aus Takaka vom Klettern gewöhnt und sog wartete ich einfach bis das Blut halbwegs trocken war und lief weiter.
Das Cathedral Cove war nicht ganz so verlassen wie mein Morgenstrand aber doch immer noch nicht so voll wie es in einer guten Stunde sein würde.
Ich machte Fotos und setzte mich eine ganze Weile an den Strand, dann lief ich zurück zum Parkplatz, auf dem die ersten Touristenbusse anreisten und Tagestouristen in ihren Autos auf der Suche nach einem Parkplatz schon Runden drehten. Ich säuberte meine Wunden und fuhr zum Hot Water Beach. Hier kann man sich einen Spaten ausleihen und zwei Stunden vor und nach der Flut Löcher in den Sand graben in denen sich heißes Wasser sammelt. Leider kam die nächste Flut erst 18:30 Uhr. Es war 11:00 Uhr… Ich ging ein Stück am Strand spazieren, genoss die Sonne und die 30 Grad, aß in dem Strandrestaurant Mittag und fuhr weiter nach Norden, über Whitianga nach Coromandel Town und von dort nach Far North Coromandel.
In meinem Reiseführer steht zu Far North Coromandel: „Die zerklüftete Spitze der Coromandel Peninsula ist äußerst einsam und atemberaubend schön. Die Anstrengung, dorthin zu gelangen, lohnt sich auf jeden Fall.“ Und davon stimmt jedes Wort. Dieser Fleck Erde ist wunderschön, völlig einsam und unberührt. Schon die Fahrt auf der langen, gewundenen einspurigen Schotterstraße war so idyllisch, dass ich immer wieder anhielt, um Fotos zu machen. Sie schlängelte sich gut eine Stunde bergauf und bergab über grüne Hügellandschaften, unter Alleen von Pohutukawa-Bäumen hindurch und eng an der Küste entlang. Es war 16:30 Uhr und die Sonne stand so tief, dass es schwer war, die Löcher und Fahrrinnen der Straße zu sehen, manchmal sah ich nicht einmal die Straße selbst. Deshalb beschloss ich, gleich den ersten der drei Campingplätze zu nehmen, die es hier in dem Park gibt. Um 17:00 Uhr bezog ich mit Menina unser Nachtquartier und wir hatten den Campingplatz fast ganz für uns. Nur ein älteres neuseeländisches Ehepaar und ein neuseeländischer Vater mit seinen zwei Kindern standen noch mit ihren Campervans auf dem Platz. Die Sonne ging schon glühend rot über dem Meer unter und ich bezahlte meine 10$ beim Platzwart, nahm meine Kamera und lief hinunter zum Strand. Es war ein traumhafter Sonnenuntergang, den ich leider nur noch mit dem Handy fotografieren konnte, weil der Akku der Kamera kurz vor dem ersten Abendrot leer war. Als ich zurück zum Camp ging, traf ich auf den Vater mit seinen zwei Kindern und er rief mir entgegen: „Did you catch the Dolphins?“ Delfine?? Ich fragte ihn: „Which Dolphins?“ und er meinte, die dort gleich hinter mir. Ich drehte mich um und direkt hinter mir schwamm eine Gruppe Delfine nur 10 Meter vom Strand entfernt durch die abendrote Bucht. Einer der Delfine war noch klein – ein Baby-Delfin! Und meine Kamera hatte keinen Akku mehr… Wir beobachteten sie lange, wie sie durch die Bucht zogen, hin und wieder aus dem Wasser sprangen, jagten oder spielten. Es war traumhaft schön – und wieder habe ich kein Foto von diesem Moment. Es scheint so zu sein, dass ich die schönsten Momente nur in meiner eigenen Erinnerung haben soll. Von keinem habe ich ein Foto, das ich mit euch teilen könnte.
Das Abendessen dauerte diesmal wirklich lange. Mein Gaskocher ist nicht der beste und mit den billigen Gaskartuschen und nur einer Flamme dauerte es ganze zwei Stunden, um Kartoffelbrei mit drei gekochten Eiern zu machen. Das Problem ist, dass ich nur eins nach dem anderen kochen kann. Meist ist das zuerst Gekochte schon längst wieder kalt, wenn das zweite fertig ist. Aber da es ja sowieso schon 18:00 Uhr dunkel ist, macht es nichts, zwei Stunden mit Kochen, Essen und Abwaschen zu verbringen.
Dieser Ort gefiel mir so gut, dass ich beschloss, noch eine Nacht hier zu verbringen und so hatte ich am nächsten Morgen auch keine Eile. Ich schlief bis 9:00 Uhr, machte gemütlich Frühstück, grüßte den Vater, der mit seinen Kindern vom Angeln zurück kam und mich fragte, wo ich gewesen sei, er habe mich doch zum Angeln eingeladen. Ich habe eine Angel im Auto. Irgendein Vorbesitzer hat sie hier drin gelassen, so wie auch ein Zelt, zwei Schlafsäcke, Bettdecken, Kissen, Kochgeschirr, Tisch und Stühle. Was ich dem Vater nicht gesagt hatte: ich würde niemals angeln gehen. 😉
Ich fuhr mit Menina noch eine halbe Stunde bis zur Fletcher’s Bay, die in meinem Reiseführer als das „zauberhafte Ende der Welt“ beschrieben wird und startete den Coromandel Costal Walkway. Nach 10 Minuten merkte ich, dass ich die (mit neuem Akku bestückte) Kamera im Auto vergessen hatte und lief zurück. Auf dem Weg kam mir schon jemand entgegen, der mir zurief, ich hätte mein Licht nicht ausgemacht und tatsächlich… Wie gut, dass ich die Kamera vergessen hatte!! Zum zweiten Mal in Neuseeland war es eine glückliche Fügung, die Kamera zu vergessen. Meine Kamera scheint ein äußerst gutes Karma zu haben. 😉
Die Wanderung am zauberhaften Ende der Welt war einzigartig schön. Es hätte die Heimat der Hobbits sein können. Auf sanften grasüberwachsenen saftig grünen Hügeln grasten Schafe und Kühe in der Sonne und an Küsten mit türkisblauem Wasser brandete das Meer. Ich war ganz allein und traf in den fünf Stunden keine einzige Menschenseele. Ich lief bis zu einem Aussichtspunkt, aß dort mein Mittag und wollte gerade wieder zurück, da brach der Steg meiner Flipflops. Dieses Mal hatte ich keine Ersatzschuhe mit und so blieb mir nichts anderes übrig, als den Rückweg barfuss zu gehen. Nachdem ich die meisten meiner Wanderungen ja schon in nicht in Wanderschuhen sondern in Flipflops gemacht habe, erreichte ich jetzt das nächste Level: Wandern ganz ohne Schuhe. Schon nach einer halben Stunde schmerzten meine Füsse von den kleinen spitzen Steinen so sehr, dass ich merkte, ich würde es nie schaffen, die zwei Stunden barfuss zurück zu laufen. Ich überlegte und durchpflügte meinen Rucksack auf der Suche nach Tape, Kleber oder einem kleinen Nagel. Ich fand nur einen Verband. Den band ich mir kurzerhand um den Rest vom Flipflop und meinen Fuss und das funktionierte gut und hielt den ganzen Weg zurück.
Gegen 17 Uhr war ich zurück am Auto. Ich fuhr noch ein Stück zurück zu einem Campingplatz namens Jackson Bay und stellte Menina direkt an den Strand, kochte Nudeln mit Tomatensoße und trank ein Bier mit zwei anderen Reisenden, die ich beim Kochen getroffen hatte. Eine von den beiden reiste schon seit sechs Jahren um die Welt, ohne jemals zurück nach Hause zu wollen. Wir machten uns am Strand ein Lagerfeuer unterhielten uns lange über Bestimmung, Entscheidungen, Ziele und das Reisen. Es war ein schöner und warmer gemütlicher Abend am Strand. Als ich mich verabschiedete, wollte der Franzose nett sein und mir auf deutsch eine gute Nacht wünschen. Er verwechselte „süße Träume“ aber und wünschte mir „süße Gurken“. 🙂 Wir haben sehr gelacht als ich ihm die Übersetzung gab. Und so ging ein weiterer Tag zu Ende, einer der mich näher an das Ende meiner zweieinhalb Monate in Neuseeland bringt und näher an das Ende meiner Zeit mit Menina. Während ich am Anfang überlegte, Neuseeland schon eher zu verlassen, würde ich jetzt gerne noch einige Wochen länger bleiben. Vor allem Menina ist mir ans Herz gewachsen und mein Zuhause geworden. Ein Zuhause, das ich immer bei mir habe und einfach an den schönsten Orten dieser Welt aufschlage. Es wird nicht einfach werden, Menina herzugeben und nach zwei Monaten in meinem eigenen kleinen gemütlichen BettWohnzimmerKüchenauto wieder den Rucksack zu schultern und in unpersönlichen Hostels zu schlafen. Ich bin nur froh, dass sie bei Joy und Sunny bleibt und ich weiß, sie werden sie genauso lieben wie ich es tue.
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| unser Quartier für zwei Tage |
Coromandel Far North ist für mich ein ganz besonderer Platz. Ich war alleine aber mit einer tiefen inneren Ruhe und Zufriedenheit. Tage hätte ich hier verbringen können, ohne das Gefühl zu haben, weiter reisen zu müssen. Ich würde es glücklich nennen. 🙂
Hier ein kleines Video von diesem wundervollen, zauberhaften, vielleicht friedvollsten Ort, an dem ich je gewesen bin:














































