An unserem dritten Tag in Copacabana nahmen wir um 8:30 Uhr die erste Fähre auf die Isla del Sol.
Die Isla del Sol (deutsch „Sonneninsel“) ist eine zu Bolivien gehörende Insel im Titicacasee. Die Insel ist in drei Gemeinden geteilt, Cha’llapampa im Norden, Cha’lla im Zentrum und Yumani im Süden. Auf ihr leben ca. 2000 Menschen. http://de.wikipedia.org/wiki/Isla_del_Sol
Wir hatten uns entschieden, die Insel von Nord nach Süd zu durchlaufen und wollten in Challapampa starten. Die anderthalbstündige Bootsfahrt dorthin war kalt – und regnerisch. Auf fast 4.000 m ist eigentlich fast alles kalt, selbst wenn die Sonne scheint, mit Regen war es aber noch um einiges ungemütlicher. Trotz Termo-Unterwäsche, langer Hose, Pullover, Regenjacke und Mütze habe ich sehr gefroren.
![]() |
| auch andere waren dick eingemummelt |
![]() |
| Challapampa in Sicht |
In Challapampa angekommen, kauften wir uns ein zweites Frühstück und wanderten los.
Schon kurz nach dem ersten Anstieg verlangte man 10 BOB für den Weg. Wir bezahlten und gingen weiter zu den alten Inkaruinen.Mit ein wenig Anschluss an eine der vielen Führungen erfuhren wir einiges über die hier abgehaltenen Rituale des alten Inkavolkes.
Unser Weg über die Insel auf fast 4.000 m Höhe war wunderschön! Zu beiden Seiten erstreckte sich die endlos scheinende Weite des azurblauen Titikakasees, vom Himmel nur durch die schneebedeckten Berge am Horizont getrennt.
Nachdem die Fahrt im Regen schrecklich kalt war, wurde es nun über Mittag sonnig und heiß. Nur eine Stunde ohne Sonnecreme reichte aus, um mir einen Sonnenbrand zu holen, von dem Annika und Pablo meinten, die Nase müsse wahrscheinlich amputiert werden. ;o) Eine Woche bin ich mit einer Nase so rot wie die von Rudolf, dem rotnasigen Rentier, herumgelaufen. Danach war sie braun, schälte sich und wurde so weiß wie sie in Deutschland gewesen ist. Es dauerte aber gar nicht lang und sie färbte sich wieder rot. ;o)
Über 4 Stunden wanderten wir über die Insel. Auf 4.000 m kein leichtes Unterfangen, aber mit viel Wasser und einigen Coca-Reserven meisterten wir die Höhe erstaunlich gut. Viel ägerlicher waren die vielen Wegzölle, die wir bezahlen mussten. Nur kurz hinter der Stelle, an der wir 10 BOB bezahlt hatten, saß wieder ein Mann auf dem einzigen Weg und verlangte weitere 15 BOB. Unser Protest, dass wir doch schon 10 BOB bezahlt hatten, kommentierte er mit der Erklärung, die seien nur für die Inkaruinen gewesen. Für den Weg nach Yumani müssten wir jetzt nochmal bezahlen. Widerwillig bezahlten wir und erhielten Ticket Nummer 2. Auf meine Frage, wie oft wir denn jetzt noch unseren Geldbeutel auspacken müssten, versprach er mir hoch und heilig, dass das das letzte Mal sei und das Ticket ohne Begrenzung gelte. Von der bolivianischen Unehrlichkeit geschlagen, fragte ich ihn noch zweimal, ob er wirklich die Wahrheit sage und er versprach es mir mehrfach. Es dauerte keine 2 Stunden und wir holten weitere 5 BOB aus unseren Taschen um den nächsten Wegzoll zu bezahlen und kurz vor Yumani durften wir nur gegen Bezahlung von nochmals 15 BOB passieren. Es waren nicht die völlig überteuerten 45 BOB, sondern es war die Unverschämtheit, mit der wir immer wieder offen angelogen wurden, die mich an diesem Tag so sehr verärgerte.
Trotzdem genossen wir die Landschaft, die Natur und die Begegnungen in jedem Augenblick. Wir trafen gleich zu Beginn auf eine kleine Gruppe junger Leute und wie sich herausstellte, war einer aus Deutschland und die anderen aus Boston – welch ein Zufall. Für eine gute halbe Stunde liefen wir zusammen und tauschten unsere Reiseerfahrungen aus.
Später begegneten wir einem Holländer, einer Peruanerin und zwei Belgiern. Der Holländer reiste tatsächlich mit dem Zelt um die Welt und trug gut und gerne 25 kg auf seinem Rücken. Die meisten Streckten legte er zu Fuss zurück. Ehrfürchtig begleiteten wir auch ihn ein Stück des Weges und ließen uns erzählen wie es ist, mit Zelt, Kocher und Schlafsack auf dem Rücken um die Welt zu wandern.
Wir erreichten die ersten Häuser vor Yumani am frühen Nachmittag und beschlossen, hier noch ein wenig zu verweilen, bevor wir uns in Yumani auf die Hostelsuche machten. Wir suchten uns einen Platz am Wegesrand, packten unser Essen und die Karten aus und spielten ein paar Runden „Knack“. Der Knack-Held der Isla del Sol war – wie immer Pablo.
Während wir spielten kamen zwei Kinder auf uns zu. Ein kleiner Junge von vielleicht 5 Jahren und seine ältere Schwester. Sie sprachen uns an und fragten, ob wir nicht eine Unterkunft bräuchten, ihr Papa hätte da oben eine. Später zogen uns noch viele Kinder in die Häuser ihrer Eltern, um eine Unterkunft zu verkaufen. Es war üblich hier, die Kinder auf die Straße zu schicken, um Touristen einzufangen – eine sicher manchmal ganz effektive Methode, denn die Kleinen sind wirklich niedlich. Die jüngste Geschäftstüchtige konnte kaum laufen, hielt sich an Pablos Jacke fest und versuchte schon, ihn in das Haus ihrer Eltern zuziehen. Dabei machten die Kinder hier aber keinen unglücklichen Eindruck. Es war Teil ihres Lebens, Teil eines Spiels, bei dem sie über die Wiesen der Insel jagten und ab und an ein paar Touristen einfingen.
Dem kleinen Jungen habe ich meine Kekse angeboten und mit leuchtenden Augen ergriff er sie und rannte davon. Mit seiner Schwester musste er notgedrungen teilen, die anderen Geschwister, für die ich auch Keskse mitgegeben hatte, blieben aber außen vor. Die grosße ration wurde zwischen ihm und der Schwester aufgeteilt und hinter einem Busch sofort verspeist. Lächelnd beobachtete ich die beiden und fragte mich, ob Kinder in Deutschland über eine Packung Kekse auch so glücklich wären. Kurze Zeit später kam er zurückgerannt, rief ganz außer Atem ein schnelles „Gracias!“ und rannte wieder zurück. Da war ihm wohl eingefallen, dass er vor lauter Freude das Danke vergessen hatte.
Wir sind dann tatsächlich aus Spaß in das Ecohostel seines Vaters gegangen, auch wenn uns von vornherein klar war, dass es unser Budget weit überschreiten würde. 70 BOB wollte er für das Zimmer haben und wir lehnten dankend ab. Er verstand es und empfohl uns eine günstige Herberge im Ort. Das hoch gelegene Hostel war tatsächlich bedeutend billiger und trotzdem sauber mit gutem Frühstücksangebot und einer netten Besitzerin. Nur 35 BB bezahlten wir hier für unser Dreibettzimmer mit eigenem Bad und einem Blick, für den man woanders schon allein einige Euro hinlegen würde.
![]() |
| Blick aus unserem Fenster |
Nachdem wir unser Zimmer bezogen hatten, erkundeten wir Yumani und machten uns auf die Suche nach Abendbrot. Der kleine Ort war herzlich und einladend. Kleine Lehmhäuser mit gemütlichen Terassen drängten sich dicht an den Berg und die steilen Straßen durch das verwinkelte Dorf erinnerten an längst vergangene Zeiten. Im Ort fanden wir einen kleinen Wegweiser mit der Aufschrift „Gourmetrestaurant – 500 m – auf 4.010 m Höhe, wundervoller Sonnenuntergang“. Das mussten wir uns ansehen. Durch einen kleinen und herrlich duftenden Wald aus Eukalyptusbäumen stiegen wir 500 m auf die besagten 4.010 m auf und erreichten ein Häuschen auf dem Kamm des Berges mit einem grßartigen Blick über die Südseite der Insel, den Titikakasee bis hinüber zu den Bergen Perus. Wir platzierten uns gut, holten in dem nahegelegenen Minimarkt eine Dose Bier und bestellten die Spezialitäten des Hauses. Erwartungsvoll sahen wir der untergehenden Sonne entgegen.
Von hinten zogen Gewitter heran und spätestens nachdem die Sonne hinter den Bergen verschwunden war, wurde es so kalt, dass wir gemeinsam mit all den anderen um uns herum in das Häuschen flüchteten. Viele hatten schon vor uns bestellt und der Koch (der übrigens auch Pablo hieß und einer der herzlichsten Menschen war, die ich getroffen habe) war allein in der Küche. Es war ein Feiertag hier in Bolivien und seine Frau mit den Kindern zu einer Schulaufführung nach La Paz gefahren. Das mit dem Essen dauerte also noch. Inzwischen war es dunkel geworden und die Gewitter nahe bei uns. Ständig blitzte und donnerte es über und neben uns. Elektizität gab es nicht und so saßen wir bei Kerzenlicht in der urigen Hütte, spielten Karten, lachten gemeinsam und lauschten dem Donner. Für uns alle war es einer der schönsten, gemütlichsten und glücklichsten Abende unserer Reise. Als das Essen nach 2 Stunden endlich kam waren wir schon fast verhungert. Das Warten hatte sich aber auf jeden Fall gelohnt. Die vegetarische Pizza, die sich Annika und Pablo teilten war grandios und meine Forelle in Zitronen-Munia-Soße mit Perl-Quinoa und Weizen verdiente den Platz in einem Gourmetrestaurant. Diese kleine Hütte ohne Elektrizität war nicht das, was wir unter einem Gourmetrestaurant erwarten würden. Aber mit ihrem einmaligen Charme, der Herzlichkeit ihres passionierten Besitzers und dem wirklich ausgezeichneten Essen schlug sie jedes Gourmetrestaurant.
Nach dem Essen brachen wir mit unseren Stirnlampen auf in die Dunkelheit, liefen zurück durch den Eukalyptuswald und die kleinen Dorfstraßen hinauf zu unserem Hostel. Es war fürchterlich kalt und trotz Thermounterwäsche, Hose, Softshelljacke und Schlafsack froren wir unter unseren Bettdecken. Wir hatten auf unserem Weg über die Insel Munia gesammelt und ich holte in unserer Küche eine Termoskanne heißes Wasser. Der Munia-Tee wärmte. In der Nacht wachte ich von den über uns hinwegziehenden Gewittern auf. Die Fenster waren völlig beschlagen und es waren sicher nicht mehr als 5 Grad. Von meinem warmen Bett aus wischte ich mir eine Aussicht in das trübe Fenster, beobachtete die zuckenden Blitze, atmete die kühle Luft und genoss die Ruhe dieses von allem Stress und aller Hektik weit entfernten Ortes.

























